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Parteitag der Piraten: Weisband will "geilen Vorstand"


Parteien
Piraten wollen "geilen Vorstand"

Von dapd, afp, dpa
Aktualisiert am 28.04.2012Lesedauer: 4 Min.
Marina Weisband will am Parteitag den Posten der politischen Geschäftsführung der Piraten abgebenVergrößern des BildesMarina Weisband will am Parteitag den Posten der politischen Geschäftsführung der Piraten abgeben (Quelle: dapd)
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Am Parteitag der Piratenpartei wünscht sich die scheidende politische Geschäftsführerin, Marina Weisband, einen "geilen Vorstand". Selbst wird sie aber nicht mehr kandidieren. "Gegen Oktober ist mir das ganze um die Ohren geflogen", gesteht sie in ihrem Tätigkeitsbericht. "Ich habe nicht alles geschafft, was ich mir vorgenommen habe." Zu Beginn des Parteitags zeigte sie sich zudem verärgert über die Debatte um rechte Tendenzen in ihrer Partei gezeigt. "Die Piratenpartei sagt Nein zu Rechts nicht nur auf ihrem Parteitag", sagte Weisband am Rande des Parteitags in Neumünster. "Ich weiß nicht, wieviel klarer eine Partei etwas sagen kann, als wenn in ihrer Satzung steht, dass sie eine Haltung ablehnt."

Die Rechtsextremismus-Debatte hat auch den Bundesparteitag zeitweise überschattet. Nachdem ein Mitglied am Rande der Versammlung vor Journalisten sagte, man könne über den Holocaust diskutieren, wurde der Parteitag unterbrochen. Ohne sichtbare Gegenstimme verabschiedeten die etwa 1500 Teilnehmer dann eine Entschließung mit der Formulierung: "Der Holocaust ist unbestreitbarer Teil der Geschichte. Ihn unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit zu leugnen oder zu relativieren, widerspricht den Grundsätzen der Partei".

Die Debatte beeinflusste auch die geplante Wahl für den neuen Bundesvorstand. Angetreten war zunächst auch ein Mitglied, das sich nach Medienberichten gegen die Strafbarkeit der Holocaust-Leugnung ausgesprochen hat. Dieser Kandidat erschien dann aber nicht mehr auf der Liste von acht für die Abstimmung zugelassenen Kandidaten. Als ein anderer Bewerber sich vorstellte, der früher vom "Weltjudentum" gesprochen hatte, verließ ein großer Teil der Versammlung unter Protest die Halle.

"Es wird gegen uns geschossen"

Bei der Wahl zum Bundesvorsitzenden am Nachmittag wurden neben dem amtierenden Parteichef Sebastian Nerz (28) auch dem bisherigen Vize Bernd Schlömer (41) gute Chancen eingeräumt. Weitere aussichtsreiche Bewerberin war die Berliner Politikwissenschaftlerin Julia Schramm (26). Im Unterschied zu den anderen Parteien verzichten die Piraten auf ein Delegiertensystem; jedes Mitglied kann Anträge stellen und abstimmen.

Beim Parteitag der Piraten beraten rund 1500 Mitglieder unter anderem über einen neuen Vorstand und eine neue Struktur der Partei. Weisband ermahnte ihre Partei zu Beginn der Veranstaltung, sie trage eine "unheimliche Verantwortung" für die sich verändernde Gesellschaft. Ihre Partei biete der Gesellschaft ein Angebot - und das möge diese "auf Herz und Nieren prüfen". Man nehme die Piraten inzwischen ernst, "und es wird gegen uns geschossen", sagte sie. "Unsere Schutzfrist war kurz", sagte sie weiter. "Aber das ist ein normaler Prozess. Politik funktioniert so, dass Neues erst einmal abgewehrt wird."

Neuer Bundesvorstand wird gewählt

Die Wahl eines neuen Bundesvorstands ist der zentrale Programmpunkt auf dem Parteitag der politischen Newcomer. Das Zusammenstellen eines guten Vorstands sei "eine schwierige Aufgabe", sagte Weisband, die sich als politische Geschäftsführerin zurückzieht. Deswegen sei die Stimmung auf dem Parteitag bei aller Freude auch "angespannt und nervös". Die 24-Jährige will sich nach eigenen Angaben in der Partei künftig vor allem mit Bildungspolitik beschäftigen und sich mehr Zeit für ihre Diplomarbeit nehmen.

Bei der Wahl am Nachmittag werden dem bisherigen Vize Bernd Schlömer (40) gute Chancen eingeräumt. Er könnte den amtierenden Parteichef Sebastian Nerz (28) ablösen, der aber erneut antritt. Weitere aussichtsreiche Bewerberin unter den insgesamt zehn Kandidaten für den Bundesvorsitz ist die Berliner Politikwissenschaftlerin Julia Schramm (26).

Vorstand wird weiter jährlich gewählt

Auf der Tagesordnung der zweitägigen Veranstaltung stehen zudem rund 200 Anträge. So entschieden die Mitglieder zu Beginn der Versammlung bereits, dass der Bundesvorstand weiterhin jährlich gewählt werden soll. Einen Antrag auf Änderung der Bundessatzung, wonach der Vorstand künftig nur noch alle zwei Jahre gewählt werden solle, lehnten die Parteimitglieder mehrheitlich ab. Der Vorschlag hatte vor dem Treffen für kontroverse Debatten innerhalb der Partei gesorgt. "Wir haben uns vorgenommen, die Struktur der Partei etwas zu professionalisieren, die Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen", sagte der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz in seinem Tätigkeitsbericht.

Angenommen wurde dagegen der Antrag, den Vorstand zu vergrößern. Das siebenköpfige Gremium wird nach einer mehrheitlich geschlossenen Satzungsänderung um einen stellvertretenden Vorsitzenden und einen Beisitzer erweitert. Einen Antrag auf Trennung von Amt und Mandat lehnten die Delegierten ab.

Die Partei kommt derzeit in Umfragen bundesweit auf bis zu 13 Prozent. Für die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein am 6. Mai und Nordrhein-Westfalen am 13. Mai werden den Piraten gute Chancen eingeräumt.

Merkel: Piraten sind "interessante Erscheinung"

Die Piraten bekamen vor dem Parteitag viel Zuspruch auch von etablierten Parteien. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnet die Politik-Neulinge als "interessante Erscheinung". Merkel sagte der "Leipziger Volkszeitung": "Die Piraten sind eine relativ neue Partei, die das politische Spektrum jetzt noch vielfältiger macht." Sie widersprach der Vermutung, die Piraten kämen der Union als nützliche Helfer entgegen, weil dadurch die Mehrheitsverhältnisse für klassische Bündnisse unsicherer geworden seien.

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann erklärte, er halte die Piratenpartei für "die neuen, besseren Liberalen". Die Piraten könnten eine historische Mission erfüllen, indem sie FDP und Linke aus den Landtagen von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein heraushielten, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die FDP nannte der SPD-Politiker nicht mehr regierungsfähig. Bevor die Piraten in eine Regierung eintreten könnten, werde allerdings noch einige Zeit vergehen.

Lob von FDP und Linke

Der FDP-Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr rief seine Partei auf, sich hinsichtlich von Transparenz und Dialogformen im Internet die Piratenpartei zum Vorbild zu nehmen. Hier könnten sich die Liberalen "von den Piraten ruhig eine Scheibe abschneiden", sagte Bahr in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dapd. Ob die Piraten Bestand haben oder nur eine flüchtige politische Erscheinung blieben, werde sich allerdings noch zeigen müssen.

Die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, erklärte, sie könne sich unter bestimmten Voraussetzungen eine Zusammenarbeit mit der Piratenpartei vorstellen."Wenn sie eine linke, aufmüpfige, angriffslustige Partei werden würden, die für ähnliche soziale Inhalte streitet wie wir, wäre das wunderbar", sagte sie und fügte hinzu: "Dann hätten wir endlich einen Partner in den Parlamenten." Zuvor allerdings müsse sich die junge Partei inhaltlich stärker positionieren.

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