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Gesunkenes Kreuzfahrtschiff Costa Concordia: Taucher finden weitere Opfer


Panorama
Taucher finden weitere Opfer an Bord der "Costa Concordia"

Von afp, dapd, dpa
Aktualisiert am 18.01.2012Lesedauer: 5 Min.
Italienische Taucher in der Nähe der UnglücksstelleVergrößern des BildesItalienische Taucher in der Nähe der Unglücksstelle (Quelle: ap)
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Die Zahl der Todesopfer bei dem Schiffsunglück vor der Westküste Italiens ist auf fünf gestiegen: Taucher hätten am Sonntag zwei Leichen im Inneren des havarierten Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia" entdeckt, teilte die italienische Küstenwache am Nachmittag mit.

Das Schiff war am Freitagabend mit 4229 Menschen an Bord vor der Insel Giglio auf einen Felsen aufgelaufen und hatte durch Wassereinbruch massiv Schlagseite bekommen. Bisher hatten die italienischen Behörden den Tod von zwei Franzosen und einem Peruaner bei dem Unglück bestätigt.

Bei den Toten handelt es sich laut Küstenwache um zwei ältere Männer. Sie seien beide mit angelegten Rettungswesten in derselben Kabine gefunden worden. Über ihre Nationalität wurde zunächst nichts bekannt. Nun werden noch 15 Menschen vermisst. Deutsche sollen nicht darunter sein.

Besatzungsmitglied nach 36 Stunden gerettet

Es gab jedoch auch positive Nachrichten: Rund 36 Stunden nach Beginn des Unglücks hatten Rettungskräfte am Sonntag einen Überlebenden in dem Wrack des vor der toskanischen Küste havarierten Kreuzfahrtschiffs "Costa Concordia" gerettet. Der Mann sei Italiener und gehöre zum Kabinenpersonal der "Costa Concordia". Möglicherweise habe er ein gebrochenes Bein.

Bereits am Vorabend konnten die Rettungskräfte ein südkoreanisches Paar befreien, das auf dem Schiff seine Hochzeitsreise machte. Nachdem sich zwei der Vermissten aus Rom gemeldet haben, werden noch 15 der über 4.200 Menschen, die an Bord waren, vermisst.

Viele Fragen nach der Unglücksursache und dem Unglückshergang blieben zunächst offen. Taucher der Küstenwache hätten die sogenannte "Black Box" des Schiffs geborgen, sagte ein Sprecher der Küstenwache dem italienischen Fernsehsender Sky Italia. Die darauf aufgezeichneten Navigationsinformationen sollen Antworten auf einige der offenen Fragen liefern.

Schwere Vorwürfe an die Besatzung

Derweil berichteten zahlreiche Passagiere von einem kaum vorstellbaren Chaos an Bord des Havaristen: die Besatzung habe ihnen keine ausreichenden Anweisungen zur Evakuierung des Schiffs gegeben. Außerdem werfen sie der Crew vor, die Aussetzung der Rettungsboote so lange verzögert zu haben, bis sie wegen der Schräglage des Schiffs nicht mehr ausgebracht werden konnten. Mehrere Passagiere berichteten, Besatzungsmitglieder hätten den Passagieren 45 Minuten lang erzählt, der Lichtausfall sei durch ein einfaches technisches Problem verursacht worden.

Zudem sei seit dem Beginn der Kreuzfahrt am 7. Januar bis zu dem Unglück keine Evakuierungsübung abgehalten worden sei. Für Samstag war eine solche Übung geplant.

"Keine Panik"

Passagiere berichteten, der Rumpf der "Costa Concordia" sei bereits aufgeschlitzt gewesen und das Meerwasser sei in den 112.000-Tonnen-Luxusliner geströmt, als der Kapitän in sechs Sprachen "Keine Panik" angesagt habe. Erst 45 Minuten später ertönte das Signal zum Evakuieren der 4229 Touristen und Besatzungsmitglieder. Bereits während des Begrüßungs-Dinners hatte der Kapitän des 219-Meter-Meeresgiganten, Francesco Schettino, das Schiff auf den Felsen "Scole" gesetzt.

"Sie sagten uns noch, wir sollten sitzen bleiben, als das Schiff schon zu sinken begann", erinnert sich der 74-jährige Franzose Joel Pavageau, der wie 566 Deutsche und die meisten anderen Mitreisenden dem Tode entrann.

Der verschwundene Zauberer

"Wir sahen uns gerade eine Zaubershow an, als der Zauberer plötzlich verschwand", erzählt die Amerikanerin Laurie Willits, die gemeinsam mit ihrem Mann Alan auf der Kreuzfahrt ihren 30. Hochzeitstag feierte. Als sich kurz darauf das Schiff immer weiter neigte, sei er beinahe aus seinem Stuhl gefallen, erzählt der Ehemann. "Ich dachte, das wäre Teil des Tricks, weil auf einmal der Vorhang zur Seite rutschte", sagt der Südafrikaner Mike van Dijk, der auf der anderen Seite des Saals saß. Auf einmal seien Mülleimer umgefallen. Er und seine Frau hätten direkt neben dem Lichttechniker gesessen. "Ich sah, dass er ganz verwirrt und besorgt war, da wusste ich, dass wir hier raus mussten", erzählt van Dijk.

Das weggegebene Baby

Unter Tränen berichtete Georgia Ananias, wie ein argentinisches Paar ihr deren drei Jahre alte Tochter in die Arme gedrückt habe. "Nehmen Sie mein Baby", sagte der Mann zu der 61-Jährigen, als sich das Schiff immer weiter neigte und er sein Gleichgewicht nicht mehr halten konnte. "Ich nahm das Baby", erzählt Ananias. "Aber dann wurde ich nach unten gedrückt. Ich wollte nicht, dass das Baby die Treppe hinunterfällt. Ich gab ihnen das Baby zurück. Ich konnte es nicht halten", sagte Ananias mit Tränen in den Augen. "Ich dachte, das wäre das Ende und sie sollten bei ihrem Baby sein."

Der 66-jährige Gilbert aus den französischen Alpen half noch anderen Passagieren, von Bord zu kommen. "Wir waren auf uns selbst gestellt, es war ein "rette sich wer kann". Ich habe noch zwei behinderten Personen von Bord geholfen", sagte er dem "Parisien".

Der 38-jährige Peter Honvehlmann aus Nordrhein-Westfalen beschrieb der Nachrichtenagentur dpa sofort nach dem Schiffbruch die Lage: "Innerhalb kürzester Zeit bekam das Schiff eine Schräglage, so dass die Vasen von den Tischen fielen." Er konnte gleich mit seiner Frau von Bord gehen.

Ermittlungen gegen den Kapitän

Sowohl der Kapitän der "Costa Concordia", Francesco Schettino, als auch der erste Offizier seien zum Verhör festgenommen worden, berichtete das öffentlich-rechtliche italienische Fernsehen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn demnach wegen fahrlässiger Tötung, Verursachung eines Schiffbruchs und wegen des Verlassens des Schiffs vor anderen.

Der italienischen Nachrichtenagentur ANSA sagte Staatsanwalt Francesco Verusio, der Kapitän habe eine Route gewählt, die zu nah an der Küste verlaufen sei. Zudem war von einem Stromausfall die Rede. Ob der das Schiff steuerunfähig gemacht und damit die Katastrophe herbeigeführt hat, ist unbekannt.

Wer ging wirklich als Letzter von Bord?

Kapitän Schettino wehrte sich am Sonntag in einem Interview gegen Vorwürfe, er habe das Schiff bereits verlassen, als sich noch Passagiere an Bord befunden hätten. Er erklärte, das Schiff sei auf Felsen aufgelaufen, die in seinen Seekarten nicht verzeichnet gewesen seien.

"Wir navigierten etwa 300 Meter von den Felsen entfernt", sagte Kapitän Schettino der Sendergruppe Mediaset. "Ein solcher Felsen hätte dort gar nicht sein sollen." Schettino wies auch den Vorwurf zurück, nicht als Letzter das Schiff verlassen zu haben: "Wir waren die letzten, die das Schiff verlassen haben", sagte er.

Ein französisches Paar, das in Marseille an Bord der "Costa Concordia" gegangen war, widersprach diesen Angaben. Es habe den Kapitän in einem Rettungsboot gesehen - lange bevor alle Passagiere von Bord gewesen seien.

Zehn Deutsche verletzt

Zehn der Verletzten waren nach Angaben des Auswärtigen Amts Deutsche. Sie seien in Krankenhäusern behandelt, mittlerweile aber schon wieder entlassen worden. Insgesamt waren unter den 4.200 Passagieren und Besatzungsmitgliedern aus mehr als 60 Ländern an Bord der "Costa Concordia" 566 Deutsche.

Die meisten von ihnen seien bereits am Samstag mit Flugzeugen oder Bussen wieder nach Hause gebracht worden, sagte der Sprecher des Veranstalters Costa Kreuzfahrten, Werner Claassen, am Sonntag. Er hoffe, dass die Rückreise der deutschen Passagiere bis zum Abend abgeschlossen sein werde.

Derweil kamen bei zwei Schiffsunglücken vor Albanien und Irland am Sonntag mindestens zwei Menschen ums Leben. In der Adria vor Albanien sank ein unter der Flagge von Sierra Leone fahrender Tanker, wie eine Polizeisprecherin sagte. Zwei Mitglieder der 15-köpfigen Besatzung aus vier Ländern wurden getötet, ein Mensch wurde vermisst, die übrigen wurden gerettet.




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