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Waffenlieferungen an Syrien: Russland rüstet Assads Flugabwehr auf


Krisen & Konflikte
Russland rüstet Assads Flugabwehr auf

spiegel-online, Von Benjamin Bidder, Moskau

29.06.2012Lesedauer: 3 Min.
Kampfjet made in Russia: Die MiG-29M soll Syriens Luftwaffe verstärkenVergrößern des BildesKampfjet made in Russia: Die MiG-29M soll Syriens Luftwaffe verstärken (Quelle: Reuters-bilder)
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Moskau ist Syriens wichtigster Waffenlieferant. Allein in diesem Jahr soll Militärhardware im Wert von 500 Millionen Dollar verschifft werden. Der Kreml hilft Assad, ein Luftabwehrnetz zu spannen - das kann auch westlichen Jets gefährlich werden.

Als in der vergangenen Woche der russische Waffenfrachter MV "Alaed" nach Murmansk abdrehte, war das eine gute Nachricht für den Westen. Seit Monaten suchen Europa und die USA nach Möglichkeiten, Syriens Despoten Baschar al-Assad den Waffennachschub aus Russland abzudrehen. Die MV "Alaed" hatte russische Kampfhubschrauber und Luftabwehrsysteme an Bord. Als die Fracht bekannt wurde, entzog der britische Versicherer dem Schiff den Schutz.

Die schlechte Nachricht ist: Die MV "Alaed" wird aller Voraussicht nach nicht das letzte russische Schiff gewesen sein, das Syriens Küste in diesem Jahr mit Waffen an Bord ansteuern wird.

Analysen des Moskauer "Centrums zur Analyse von Strategien und Technologien" (CAST), einem in der russischen Rüstungsbranche gut vernetzten Think Tank, kommen zu dem Schluss, dass allein 2012 russische Waffentransporte nach Syrien in einem Volumen von 500 Millionen Dollar ausstehen.

Russland steht international wegen seiner Unterstützung des Assad-Regimes in der Kritik. Im Februar sagte Susan Rice, US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, sie sei "angewidert, dass einige Mitglieder (des Sicherheitsrates, Anm. der Red.) uns davon abhalten, unsere Pflicht zu tun. Besonders schändlich ist es, dann auch noch Waffen zu liefern." Gemeint war Russland.

Am Donnerstag hatten Meldungen aus US-Diplomaten-Kreisen kurzzeitig für Verwirrung gesorgt, Russland rücke überraschend von Assad ab und signalisiere zarte Zustimmung zu einem Friedensplan. Das Dementi folgte auf dem Fuß: Außenminister Sergej Lawrow sagte, es gebe "keine abgestimmten Projekte". Russland mag Assad zwar nicht um jeden Preis stützen, bleibt aber seiner Linie treu, dass "ausländische Kräfte den Syrern keine Rezepte diktieren" sollten, wie Lawrow betonte.

Daran arbeitet Russland unterdessen auch jenseits der diplomatischen Front, mit fortgesetzten Waffenlieferungen.

Russland ist Syriens mit Abstand wichtigster Rüstungslieferant

Nach Angaben des Fachbulletins Moscow Defense Brief plant Russland noch im Laufe dieses Jahres die Verschiffung von Flugabwehreinheiten und einigen Kampfjets nach Syrien. Im syrischen Bürgerkrieg sind diese Waffensysteme kaum von Nutzen, im Fall einer Militärintervention könnten sie dem Westen allerdings große Sorgen bereiten.

Dabei geht es vor allem um die Auslieferung von mobilen Luftabwehrbatterien der Typen Buk-M2E, Panzir-C1 sowie Petschora-2M. Letztere wurden auch an Bord des Waffenfrachters MV Alaed vermutet. Ende 2012 will Damaskus die ersten von insgesamt zwölf MiG-29 Kampfjets in Empfang nehmen. Im Dezember einigten sich Syrien und Russlands staatlicher Waffenexporteur Rosoboronexport zudem über den Kauf von 36 Jak-130-Jets. Die zweistrahligen Maschinen sind als Ausbildungsflugzeuge deklariert, können aber auch mit Bomben und Raketen für den Luftkampf und den Beschuss von Bodenzielen ausgerüstet werden.

Russland ist Syriens mit Abstand wichtigster Rüstungslieferant. Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI bekam Syrien im Jahr 2011 291 Waffenlieferungen, davon 246 aus Russland und 45 aus Iran. Waffensysteme sowjetischer Bauart wie MiG-Kampfjets und T-72-Panzer bilden seit den siebziger Jahren das Rückgrat der syrischen Armee.

Putin sorgt sich um das letzte strategische Erbe der Sowjetunion

Moskau hat zwar in den vergangenen Jahren einige Rüstungsaufträge eingefroren oder sogar gestoppt, etwa die vereinbarte Lieferung von schweren Boden-Boden-Raketen des Typs Iskander. Auch die für eine Milliarde Dollar vereinbarte Modernisierung von rund 1000 syrischen T-72 Panzern kommt offenbar nicht vom Fleck. Doch dank russischer Hilfe hat Syrien "ein sehr enges Netz aus Luftabwehrsystemen kurzer und mittlere Reichweite aufgebaut", sagt Ruslan Alijew, Rüstungs-Experte des Moskauer Think Tanks CAST. Dank der Lieferungen "unterscheidet sich Syriens Abwehr heute kardinal von Libyen oder Irak". Im Falle einer ausländischen Intervention wäre sie "eine harte Nuss" für jeden Gegner, so Alijew.

Syrien genießt in Moskau eigentlich nicht den besten Ruf als Kunde. 2005 musste Moskau Damaskus 70 Prozent seiner Rüstungsschulden erlassen, umgerechnet rund zehn Milliarden Dollar. 2011 lag Syriens Anteil an Russlands Waffenverkäufen bei nicht mehr als fünf Prozent.

Nach Alijews Überzeugung kann wirtschaftliches Kalkül Russlands Waffenlieferungen an Syrien deshalb nicht erklären. Vielmehr treibe Präsident Wladimir Putin die Furcht, mit dem Verlust des letzten Verbündeten im Nahen Osten auch das letzte strategische Erbe der Großmacht Sowjetunion zu verlieren.

Das sei der eigentliche Grund, aus dem Moskau Damaskus helfe, das Flugabwehrnetz über dem eigenen Land spannen. Moskaus Eliten seien zudem davon überzeugt, dass arabische Autokraten wie Assad verglichen mit den Islamisten das kleinere Übel darstellten.

Und: Auch persönliche Motive dürften eine Rolle spielen. "Putin kann gar nicht anders", so Alijew, "als Anteil am Schicksal seines autoritären Kollegen Assad zu nehmen."

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