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Schlachtfeld Politik - die finstere Seite der Macht


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Depressionen und Suizidgedanken - wenn die Politiker-Seele leidet

Von dpa
Aktualisiert am 20.03.2012Lesedauer: 4 Min.
Wolfgang Kubicki (FDP) dachte an Selbstmord, als er von Parteifreunden hintergangen und gestürzt wurdeVergrößern des BildesWolfgang Kubicki (FDP) dachte an Selbstmord, als er von Parteifreunden hintergangen und gestürzt wurde (Quelle: NDR/ECO Media)
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Mit einem Fallschirm sprang Jürgen Möllemann am 5. Juni 2003 in den Tod, die Reißleine zog er nicht. Vorangegangen war der tiefe politische Fall des früheren FDP-Bundesministers. Möllemanns Schicksal ist der wohl spektakulärste und tragischste Fall eines Politikers, der sich von seinen Parteifreunden verraten und alleingelassen fühlte. Geblieben ist ein Mahnmal für künftige Politikergenerationen, geändert hat sich wenig.

Ungewohnt offen und verletzlich erzählten ehemalige Spitzenpolitiker gestern Abend in der ARD-Sendung "Schlachtfeld Politik - die finstere Seite der Macht" von ihrem tiefen Absturz in der Politik und den damit verbundenen seelischen Konsequenzen. Die Palette reicht von Depressionen über Selbstmordgedanken bis hin zu einem Schlaganfall.

Am schlimmsten schmerzt der Verrat aus den eigenen Reihen. Die Aufarbeitung einer solchen Enttäuschung dauert jahrelang.

Als der Fraktionsvorsitzender der FDP im schleswig-holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki, im Juni 1993 zurücktrat, waren bereits diverse Negativschlagzeilen im Zusammenhang mit seiner Beratertätigkeit für die Schweriner Landesregierung in den Medien. Leute aus den eigenen FDP-Reihen hatten die Presse mit Informationen versorgt, die "teilweise richtig, aber überwiegend falsch waren", wie er selbst sagt. Es ging darum, ihn politisch zu "erledigen", es ging um "Existenzvernichtung".

Kubicki dachte an Selbstmord

Besonders schmerzhaft für den FDP-Politiker: Es waren Personen dabei, von denen er solche Intrigen nicht erwartet hätte. Immer neue Schlagzeilen kamen ans Licht, es sei zermürbend gewesen. Über diese Zeit erzählt er: "Es war die Phase, wo ich wirklich mir überlegt habe 'eigentlich kannst du jetzt in die Ostsee gehen'. Den Gedanken habe ich nach zehn Minuten wieder verworfen, aber er war da. Es hört nur auf, wenn du nicht mehr da bist. Du willst das nicht mehr".

Kubicki weiß, wer die Verantwortlichen für den damaligen Skandal waren und hat sich bei den meisten "auch schon ganz ordentlich bedankt". Der Gejagte ist immer auch selbst ein Jäger. Einigen seiner Widersacher hat er nach eigenen Angaben politische Steine in den Weg gelegt und den Zugang zu höheren Ämtern verbaut.

Wirkliche Freundschaften sind selten

"In der Politik ist jeder Parteifreund auch immer ein Konkurrent, ein Mitbewerber und deshalb gibt es wirkliche Freundschaften innerhalb der gleichen politischen Gruppierung extrem selten", erzählt Kubicki. So lieferte er selbst beispielsweise 2011 den Anstoß für den Rücktritt Guido Westerwelles als FDP-Parteivorsitzender. Es scheint, als seien die Spielregeln in dieser Liga der Politik klar vorgegeben und von allen Akteuren akzeptiert. Wer sich auf das Spiel einlässt, riskiert es, verletzt zu werden.

"Ich habe meine Truppen bei den Grünen nicht gesammelt"

Im Zuge der BSE-Krise im Jahr 2000 geriet die ehemalige Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) in Bedrängnis. Gemeinsam mit dem damaligen Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) wurde sie öffentlich an den Pranger gestellt. Der Rückhalt aus den eigenen Reihen schwand. Anfang Januar 2001 traten beide zurück. Fischer sagt heute über ihre Fehler: "Ich habe zwar meine Bemühungen, die Krise zu bekämpfen, verstärkt. Aber was ich nicht getan habe, war meine Truppen bei den Grünen zu sammeln".

Es sei dann relativ schnell eng geworden für sie. Die gleichen Leute, die sie kurz vorher ins Amt gehoben hatten, legten ihr nun den Rücktritt nahe. Namen nennt sie keine, aber es schimmert in ihren Worten durch, dass Joschka Fischer, der sie einst förderte, auch mit absägte.

Zehn Jahre Aufarbeitung waren nötig

Zehn Jahre litt Andrea Fischer, ihre Selbstzweifel wuchsen immer mehr. "Ich habe eine schwere Depression gekriegt, die ich auch nur mit Medikamenten und Therapie im Laufe eines Jahres bekämpfen konnte."

Auch Katina Schubert, ehemals stellvertretende Vorsitzende der Linken wurde von der eigenen Partei hintergangen. Angefangen hatte es mit einer familienpolitischen Kontroverse mit Oskar Lafontaines damalige Frau Christa Müller. Weil sie sich öffentlich gegen das Interview Müllers aussprach, kam es zum innerparteilichen Streit. Die Stimmung war angespannt, auf einer Vorstandssitzung merkte die Linken-Politikerin: "Die wollen mich weg haben."

Ein Schlaganfall als Warnschuss

Schubert spürte eines Tages ein Kribbeln in der linken Körperseite - ein Schlaganfall, wie im Krankenhaus diagnostiziert wurde. Vier Wochen war sie damals aus dem Verkehr gezogen, bis zur vollständigen Genesung vergingen mehrere Monate. Schubert nahm den Schlaganfall als Warnschuss und nahm ihren Hut. Sie musste den "Druck rausnehmen".

Auch Kurt Beck, ehemaliger Parteivorsitzender der SPD, musste schmerzhaft erleben, was es heißt, wenn das Vertrauen der eigenen Leute schwindet. In der Frage der Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahl 2009 wird er übergangen. Erst in den Nachrichten erfährt er, dass man Frank-Walter Steinmeier als Herausforderer für Angela Merkel aufgestellt hat.

Loyalitätsverlust schmerzt schwer

Der Verrat schmerzt. Beck beantwortet diesen "schweren Loyalitätsverlust" mit seinem sofortigen Rücktritt am nächsten Tag. In der Politik könne man nur entweder das Vertrauen der Partei genießen oder nicht.

Über die Leute, die diese Intrige gegen ihn gesponnen haben, möchte er nicht sprechen. Er lässt jedoch durchblicken, dass sie der Führungsriege der SPD angehören. Mit einigen hat er inzwischen das Gespräch gesucht.

"Ich bin misstrauischer geworden"

Was bleibt als Erkenntnis? Politik ist ein Metier, das einsam und krank machen kann. Richtige Freundschaften unter Parteipolitikern sind selten, jeder kann im Kampf um Ämter zum Konkurrenten werden, resümiert Kubicki. Und Kurt Beck bekennt: "Ich bin misstrauischer geworden."

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