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Neue Wikileaks-Enthüllungen: Wie US-Diplomaten über deutsche Politiker denken


Internationale Politik
Westerwelle "aggressiv", "Teflon-Merkel" "selten kreativ"

Von t-online, dpa
Aktualisiert am 01.12.2010Lesedauer: 4 Min.
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Das Internetportal Wikileaks hat am Sonntag erneut Tausende von Geheimpapieren aus dem State Department - dem US-amerikanischen Außenministerium - veröffentlicht. Bei den brisantesten Dokumenten handelt es sich offenbar vor allem um diplomatische Depeschen, die zeigen, wie die USA die anderen Länder und ihre Regierungsvertreter sehen.

Das geht aus rund 250.000 Dokumenten hervor, aus denen das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" in seiner neuesten Ausgabe zitiert.

Darin wird CSU-Chef Horst Seehofer als "unberechenbar" charakterisiert, Außenminister Guido Westerwelle (FDP) als "aggressiv". Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bescheinigen die Amerikaner, "selten kreativ" zu sein und das Risiko zu meiden. Weil vieles an ihr abgleite, werde die Regierungschefin intern in den US-Berichten "Angela 'Teflon' Merkel" genannt - in Anspielung auf die nichthaftende Beschichtung von Bratpfannen.

Westerwelle - überschäumend und voller Geltungsdrang

Das Nachrichtenmagazin wollte die Ausgabe eigentlich erst am Sonntagabend um 22.30 Uhr veröffentlichen. Vorher wurden aber im Internet-Nachrichtendienst Twitter bereits Hinweise auf Kopien versendet. Auch an einzelnen Bahnhöfen war das Magazin mit der Titelgeschichte "Enthüllt - Wie Amerika die Welt sieht" zu kaufen.

Weltweit hatten sich Regierungen am Wochenende auf die Veröffentlichung der Berichte des US-Außenministeriums auf der Internet-Plattform Wikileaks vorbereitet. Dabei hatten die USA auch Deutschland vorgewarnt.

Wie aus den vorab verbreiteten Seiten hervorgeht, beurteilten die Amerikaner vor allem Westerwelle kritisch. Kurz vor der Bundestagswahl im September 2009 heißt es laut "Spiegel" in einer Einschätzung des US-Botschafters Philip Murphy in Berlin zu dem FDP-Chef: "Er wird, wenn er direkt herausgefordert wird, vor allem von politischen Schwergewichten, aggressiv und äußert sich abfällig über die Meinungen anderer Leute." Westerwelle sei eine unbekannte Größe ("Wild Card") mit "überschäumender Persönlichkeit". Sein Geltungsdrang werde zu Kompetenzrangeleien mit der Kanzlerin führen.

Seehofer - ein Populist ohne außenpolitische Ahnung

Wenig Lob haben die US-Diplomaten laut "Spiegel" auch für Merkel selbst. Vor einem Treffen mit US-Präsident Barack Obama im April 2009 heiße es in den US-Akten: "Merkel ist methodisch, rational und pragmatisch." Unter Druck agiere sie "beharrlich, aber sie meidet das Risiko und ist selten kreativ".

Die Amerikaner berichteten, Merkel sei "bekannt für ihren Widerwillen, sich in aggressiven politischen Debatten zu engagieren. Sie bleibt lieber im Hintergrund, bis die Kräfteverhältnisse klar sind, und versucht dann, die Debatte in die von ihr gewünschte Richtung zu lenken".

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Seehofer gilt laut "Spiegel" bei den Amerikanern als Populist. Außenpolitisch sei er weitgehend ahnungslos. Bei einem Treffen mit Murphy habe er nicht einmal gewusst, wie viele US-Soldaten in Bayern stationiert seien. Noch schärfer seien die US-Diplomaten aber mit Günther Oettinger (CDU) ins Gericht gegangen, als der Ministerpräsident von Baden-Württemberg als Energiekommissar nach Brüssel wechselte. Es sei bei diesem Schritt darum gegangen, "eine ungeliebte lahme Ente von einer wichtigen CDU-Bastion zu entfernen".

De Maizière "hat eine steile Lernkurve vor sich"

Der langjährige Innenminister Wolfgang Schäuble gilt laut "Spiegel" als Verbündeter der Amerikaner. Seinen Wechsel ins Finanzressort habe die US-Regierung mit Sorge betrachtet. Mehrfach hätten die Amerikaner moniert, dass der neue Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in der Terrorbekämpfung angeblich weniger Expertise und weniger Enthusiasmus zeige als Schäuble. De Maizières ersten Auftritt habe US-Botschafter Murphy als "seltsam" bezeichnet. "Der Bericht trägt den Titel: 'Der neue deutsche Innenminister hat eine steile Lernkurve vor sich'", schreibt das Magazin.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) gilt als "enger und bekannter Freund der USA". Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) haben die Amerikaner dagegen als Kontrahentin ausgemacht, deren Ansicht US-Interessen zuwiderliefen, etwa beim Datenschutz. Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) - der das Ministerium eigentlich abschaffen wollte, bevor er es übernahm - bezeichnen die Amerikaner dagegen als "schräge Wahl".

Aber auch Politiker jenseits Deutschlands kommen nicht gut weg. Der russische Ministerpräsident Wladimir Putin wird als "Alpha-Rüde" charakterisiert. Den französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy bezeichnen die US-Diplomaten als "Kaiser ohne Kleider".

Material kommt wohl vor allem aus Ankara und Bagdad

Den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai beschreiben die Diplomaten als "schwache Persönlichkeit", der von "Paranoia" und "Verschwörungsvorstellungen" getrieben werde. Der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan wird den Angaben zufolge skeptisch bewertet, während beim Urteil über die Regierung Kenias aus fast jeder Zeile der Botschaftsberichte Verachtung spreche, hieß es.

Laut "Spiegel" beginnen die Dokumente mit dem Jahr 1966. 90 Prozent stammten jedoch aus der Zeit nach 2005. Nur sechs Prozent seien als "geheim" eingestuft, 40 Prozent als "vertraulich". Das meiste Material komme von der Botschaft in Ankara, gefolgt von der US-Vertretung in Bagdad.

Verschiedenen Medien zufolge belegen die Dokumente unter anderem, dass Washington Mitarbeiter der Vereinten Nationen ausspionieren lässt und arabische Staaten eine Zerstörung des iranischen Atomprogramms gefordert haben. Die Dokumente stammen zum größten Teil aus der Zeit von 2003 bis Ende Februar 2010, wie der "Spiegel" berichtet.

US-Regierung außer sich

Erwartungsgemäß reagierte Washington allergisch auf die Veröffentlichungen: Die privaten Einschätzungen von US-Diplomaten über ausländische Politiker, Staatsführer und Regierungen könnten das Vertrauen der ausländischen Partner in die USA untergraben, hieß es. Eine solche Veröffentlichung setze zahllose Menschenleben aufs Spiel, bedrohe Anti-Terror-Operationen in der ganzen Welt und gefährde die amerikanischen Beziehungen zu den Verbündeten, schrieb das US-Außenministerium in einem Brief an Wikileaks.

In einem am Samstagabend veröffentlichten Brief des Rechtsberaters Harold Koh hieß es, Wikileaks habe kein Recht, die Dokumente zu veröffentlichen und müsse den Plan daher stoppen. Die US-Regierung werde auch nicht mit dem Internetportal kooperieren, um Informationen herauszufiltern, die möglicherweise eine Gefahr bedeuteten.

Das Außenministerium reagierte mit dem Brief auf eine Anfrage von Wikileaks-Gründer Julian Assange und dessen Anwalt. Diese hatten beim US-Botschafter in Großbritannien, Louis Susman, um Informationen darüber gebeten, welche Personen durch eine Veröffentlichung in Gefahr geraten könnten. Anschließend wies Assange den Vorwurf der Gefährdung von Menschenleben zurück.

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