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Nach dem Drama von Toulouse: Hat die Eliteeinheit "Raid" versagt?


Krisen & Konflikte
Haben die "Schwarzen Panther" versagt?

Von dapd, afp
Aktualisiert am 23.03.2012Lesedauer: 4 Min.
Drama von Toulouse: Hat die Eliteeinheit Raid versagt?Vergrößern des BildesDrama von Toulouse: Hat die Eliteeinheit Raid versagt? (Quelle: afp)
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Sie sind die Elitetruppe der französischen Polizei, die 170 handverlesenen Männer und Frauen der Einheit "Raid". Ihr Motto: "Dienen ohne Fehl" ("Servir sans faillir"). Doch ihr Einsatz im Nervenkrieg von Toulouse gerät immer stärker in die Kritik. Nach über 30 Stunden waren sie erfolgreich - und verfehlten doch ein wichtiges Ziel: Der mutmaßliche Serien-Killer Mohammed Merah wurde erschossen. Merah sollte aber lebend gefasst werden, um ihn vor ein Gericht stellen zu können.

Eine Schusswunde an der linken Schläfe und eine weitere im Unterleib seien tödlich gewesen, verlautete aus Justizkreisen. Insgesamt wurde der 23-Jährige von über 20 Kugeln getroffen. Die meisten schlugen in Arme und Beine ein.

Haben die "Schwarzen Panther" versagt? Es müsse gefragt werden, warum es "Raid" als "bester Einheit" der französischen Polizei nicht gelungen sei, einen einzelnen Mann lebend zu fassen, sagte der Gründer einer anderen französischen Spezialeinheit, Christian Prouteau, der Zeitung "Ouest France". Die Operation sei "ohne klares taktisches Schema" ausgeführt worden.

Warum setzte "Raid" kein Tränengas ein?

Prouteau sagte, gegen den in einer Wohnung verbarrikadierten Attentäter hätte Tränengas eingesetzt werden müssen. "Das hätte er keine fünf Minuten ausgehalten." Die Spezialkräfte hätten den 23-Jährigen mit ihrem Vorgehen während der mehr als 30-stündigen Belagerung dagegen dazu "bewegt, seinen 'Krieg' fortzuführen". Die von Prouteau gegründete Gendarmerie-Spezialeinheit GIGN gilt als so etwas wie die Konkurrenz der "Raid".

Elitepolizisten waren nach einem zermürbenden Nervenkrieg in die Wohnung Merahs im südfranzösischen Toulouse eingedrungen. Der algerischstämmige Franzose hatte sich im Bad versteckt und kam laut Innenminister Claude Guéant "mit äußerster Gewalttätigkeit" um sich schießend heraus. Dann sei er mit der Waffe in der Hand aus dem Fenster gesprungen. Dabei erschossen ihn laut Staatsanwaltschaft Scharfschützen.

Geheimdienst in der Kritik

Auch der französische Geheimdienst steht nach dem Ende des Dramas in der Kritik. Dieser hatte Merah im Herbst 2011 bezüglich seiner Aufenthalte in Afghanistan und Pakistan verhört. Doch im Anschluss wurde er wieder auf freien Fuß gelassen - und blieb unbeobachtet.

Der Geheimdienstexperte François Heisbourg zeigte sich in der Zeitung "Libération" verwundert darüber, wie Merah das "klassische Profil eines Dschihadisten" erfüllen konnte, ohne weiter verfolgt zu werden. "Die Polizei wusste, dass er in Ausbildungscamps in Afghanistan und Pakistan war, seine fanatische Einstellung war bekannt. Und nun gibt sie an, nicht einmal seine Adresse gewusst zu haben? Das passt nicht zusammen", schrieb Heisbourg.

Vom FBI auf Terror-Liste geführt

Unverständnis ruft in Frankreich auch die Tatsache hervor, dass Merah bei der US-Bundespolizei FBI auf einer schwarzen Liste stand: Er wurde dort namentlich als Terrorist geführt, der am Flughafen bei der Sicherheitskontrolle sofort festgenommen worden wäre.

Der Chef des französischen Inlandsgeheimdienstes, Bernard Squarcini, verteidigte indes das späte Eingreifen gegenüber der Zeitung "Le Monde". "Wir konnten ihn nicht früher schnappen", sagte Squarcini. Schließlich sei der Täter selbst nicht strategisch und planvoll vorgegangen. Anstatt die jüdische Schule in Toulouse anzugreifen, soll er eigentlich den Mord an weiteren Soldaten geplant haben. Nur weil dies schief gegangen sei, sei er "aus Zufall" zur Schule Ozar-Hatorah gefahren.

"Raid"-Chef: Zielperson mit "unerbittlicher Entschlossenheit"

"Raid"-Chef Amaury de Hauteclocque sagte der Online-Ausgabe von "Le Monde", Merah habe die Polizisten mit einer "unerbitterlichen Entschlossenheit" erwartet. "Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich jemanden gesehen habe, der uns angreift, obwohl wir ihn gerade angreifen."

Die Eliteeinheit "Raid" der französischen Polizei entspricht in etwa der deutschen GSG 9. Das Namenskürzel spiegelt ihren Auftrag wider: Recherche, Assistance, Intervention, Dissuasion - deutsch: Suche, Unterstützung, Intervention, Abschreckung.

Einheit für brenzlige Situationen

Die - wegen ihrer Kampfmontur so genannten - "Schwarzen Panther" sind für Terrorismusbekämpfung zuständig, für die Sicherheit wichtiger öffentlicher Einrichtungen und offizieller ausländischer Gäste sowie für den Einsatz bei Geiselnahmen und in anderen besonders brenzligen Situationen.

Gegründet wurde die Spezialeinheit 1985 als Konsequenz aus einer Serie von Bombenanschlägen. Sie fasste Terroristen unter anderem der Action directe und wurde einer breiteren Öffentlichkeit 1993 anlässlich einer spektakulären Geiselnahme in einem Kindergarten in Neuilly-sur-Seine bekannt.

Hartes Auswahlverfahren

Zum 25-jährigen Bestehen 2010 würdigte Innenminister Brice Hortefeux den Einsatz der 170 Männer und Frauen. Das Auswahlverfahren für die Eliteeinheit ist hart: Von 8000 Bewerbern in einem Vierteljahrhundert wurden nur rund 700 angenommen.

Vor ihrer Aufnahme in die Elitetruppe müssen sie zwei Wochen lang sehr harte Tests bestehen und eine dreimonatige Spezialausbildung durchlaufen. Wer die Tests bestehen wolle, müsse in ausgezeichneter körperlicher Verfassung sein und über große physische Ausdauer verfügen.

"Wir brauchen alles, außer Cowboys"

Notwendig seien aber auch eine starke Psyche, vor allen die Fähigkeit, großen Stress auszuhalten und das Verhalten von Menschen richtig einzuschätzen. Der Einsatz in der Elitegruppe bedeute allerdings kein Draufgängertum, betont ein Sprecher. "Wir brauchen alles, außer Cowboys."

Nach der Grundausbildung müssen sich die "Raid"-Polizisten den Angaben zufolge ständig weiterbilden. Auf dem täglichen Trainingsprogramm stehen Fallschirmabsprünge sowie die Simulation von Attentaten und Geiselnahmen.

Die "Raid" kann eine Reihe erfolgreicher Aktionen vorweisen. Neben der Beendung der Geiselnahme in Neuilly etwa die Festnahme des wegen Mordes an einem Präfekten gesuchten korsischen Aktivisten Yvan Colonna im Juli 2003.

Der Einsatz gegen einen wegen Doppelmordes gesuchten Franzosen ging vor drei Jahren allerdings daneben: Der mutmaßliche Mörder, der bereits seit zwei Monaten auf der Flucht war, konnte den "Raid"-Polizisten entkommen. Er wurde später gefasst und erhängte sich in einer Zelle.

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