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Stuttgart 21: Kommentar zur Volksabstimmung in Baden-Württemberg


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Auf Messers Schneide

Ein Kommentar von Joachim Behnke, The European

Aktualisiert am 24.11.2011Lesedauer: 3 Min.
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Am Sonntag sollen die Baden-Württemberger über das Milliardenprojekt "Stuttgart 21" abstimmenVergrößern des Bildes
Am Sonntag sollen die Baden-Württemberger über das Milliardenprojekt "Stuttgart 21" abstimmen (Quelle: dapd)

Meinungsumfragen sagen derzeit eine Mehrheit bei der Volksabstimmung zu "Stuttgart 21" zugunsten der Befürworter voraus. Bei manchem in der Regierung scheint man die Seufzer der Erleichterung regelrecht hören zu können. Obsiegen die Befürworter, dann steht das Ergebnis der Volksabstimmung in Übereinstimmung zum rechtlichen Status quo, nach dem der Bahnhof gebaut werden darf.

Die Gegner von "Stuttgart 21" müssten dann wohl akzeptieren, dass man sich in der Demokratie der Mehrheit beugen muss, selbst wenn dies den eigenen Interessen widerspricht. Ein Widerstandsrecht gegen den Bahnhof ließe sich in keiner Weise beanspruchen, denn es geht hier nicht um die Verteidigung grundlegender Bürgerrechte gegen staatliche Eingriffe, sondern letztlich "nur" um eine architektonische und städtebauliche Maßnahme. Man mag gute Gründe haben, immer noch gegen diese Maßnahme zu sein, aber diese Gründe fußen auf Meinungen zu bestimmten Sachverhalten und auf Geschmacksfragen. Aus ihnen kann kein legitimes Widerstandsrecht hergeleitet werden.

Scheitern die Kritiker nur knapp, steht die Regierung vor einem Dilemma

Ernsthafte Probleme für die Regierung könnten aber entstehen, wenn die Volksabstimmung gegen den Bahnhof ausgehen sollte. Das ist keineswegs ausgeschlossen, denn wie sehr man hier den Meinungsumfragen trauen darf, ist unsicher. Wenn nun aber bei der Volksabstimmung die Gegner in der Mehrheit sein sollten, gibt es zwei Möglichkeiten. Im ersten Fall wird das Quorum von einem Drittel der Wahlberechtigten erreicht, womit das Ergebnis Gesetzesstatus erhielte. Die Landesregierung würde dann den so bekundeten Volkswillen umsetzen und die Finanzierungsverträge kündigen. Ob dies rechtlich überhaupt möglich ist, würde dann eine Frage sein, die von Gerichten, womöglich dem Verfassungsgericht, zu entscheiden wäre.

Die wirklich heikle Situation würde entstehen, wenn eine Mehrheit gegen "Stuttgart 21" stimmte, aber das Quorum relativ knapp verfehlte. Eine saubere Lösung dieses Dilemmas ist kaum vorstellbar. Wenn sich eine Mehrheit gegen den Bahnhof ausspricht, dann ist dies die einzige vernehmbare Stimme des Volkes, unabhängig davon, ob das Quorum erreicht wird oder nicht. Denn die Verfehlung des Quorums kann als Argument nur in einem formal-juristischen, aber nicht in einem substanziellen Sinn überzeugen, vor allem, da das Quorum so absurd hoch ist, dass es realistisch sowieso nicht erreicht werden kann. Dass die Mehrheit in der Abstimmung nicht die mehrheitliche Stimme des ganzen Volkes sein könnte, wäre lediglich Spekulation.

Konflikte in der Koalition wären unvermeidlich

Es wäre absurd, in einer solchen Situation etwa die Meinungsumfragen als Verkünder der "wahren" Volksmeinung gegen die Stimme des Plebiszits ausspielen zu wollen. Ministerpräsident Kretschmann würde, da er sich an die Verfassung und das Gesetz gebunden sieht, zwar den Bahnhofsbau nicht unterbinden. Aber die Grünen würden es wohl auch nicht unterlassen, in diesem Fall darauf hinzuweisen, dass es die SPD wäre, die sich einer parlamentarischen Umsetzung des geäußerten Volkswillens verweigert.

Konflikte in der Koalition wären unvermeidlich. Den Geist der Volksabstimmung, den man rief, wird man eben nicht so schnell wieder los. Es ist sicherlich der Demokratie nicht abträglich, das Volk in wichtige Entscheidungen stärker mit einzubeziehen. Nur sollte dann gewährleistet sein, dass die Fortschreibung des Status quo nicht das einzige unstrittige Ergebnis darstellt.

Joachim Behnke, Stipendiat der Bayerischen Begabtenförderung, studierte Theaterwissenschaft, Philosophie, Kommunikationswissenschaften, Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft an der Ludwig-Maximilian-Universität München. 1998 promovierte Behnke in Bamberg mit der Arbeit "Räumliche Modelle der sachfragenorientierten Wahlentscheidung". einer der Sprecher des Arbeitskreises "Handlungs- und Entscheidungstheorie" der DVPW, damit verbunden auch Co-Herausgeber des "Jahrbuchs für Handlungs- und Entscheidungstheorie". Seit 2011 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaft an der Zeppelin-University.

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