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Friedenspreis verliehen: Wie Stanislaw Petrow den 3. Weltkrieg verhinderte


Geschichte
Wie ein Mann den Dritten Weltkrieg verhinderte

Von dapd, afp, dpa
Aktualisiert am 18.02.2013Lesedauer: 4 Min.
Er ist der Held, der 1983 die Welt rettete: Stanislaw PetrowVergrößern des BildesEr ist der Held, der 1983 die Welt rettete: Stanislaw Petrow (Quelle: dpa)
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Stanislaw Petrow erkannte einen Fehlalarm der Warnsysteme und stoppte das vorgesehene Procedere. Von seinen Vorgesetzten wurde der damalige Sowjet-Offizier 1983 weder gelobt noch belohnt - allerdings auch nicht bestraft. Jetzt wurde er mit dem Dresdner Friedenspreis und 25.000 Euro ausgezeichnet.

Es ist ein Horrorszenario wie aus einem Hollywood-Film: Alarm in einer russischen Raketenüberwachungszentrale, rasende Bildschirmanzeigen, Panik. Dann in letzter Sekunde Entwarnung wegen eines Fehlalarms.

Eine einsame Entscheidung rettet die Welt

Es ist die Zeit des Kalten Krieges der Bündnissysteme NATO und Warschauer Pakt. Es herrscht das sogenannte Gleichgewicht des Schreckens mit einem ständigen Wettrüsten.

Stanislaw Petrow ist in jener Nacht der verantwortliche Diensthabende in einem Luftüberwachungszentrum 80 Kilometer vor Moskau, als der Computer den Abschuss von fünf US-Raketen Richtung Sowjetunion anzeigt.

In der Nähe halten ein riesiger Parabolspiegel und weitere Antennen Verbindung zu sowjetischen Spionagesatelliten. Die wiederum überwachen die damals sechs US-amerikanischen Raketenbasen mit etwa 1000 Atomraketen.

Die entscheidenden Minuten in der Kommandozentrale:

Kurz nach Mitternacht dieses 26. September 1983 meldet der Computer eine auf die Sowjetunion anfliegende US-amerikanische Atomrakete. Petrow hält es für absolut unwahrscheinlich, dass ein Erstschlag mit einer einzelnen Rakete durchgeführt werden soll - der massive Gegenschlag hätte den Angreifer total vernichtet. Außerdem gibt es zu dieser Zeit häufiger Zweifel an der Zuverlässigkeit des Warnsystems.

Satellitenbilder zeigen keine weiteren Raketen, die Bilder erscheinen unzuverlässig. Petrow hat wenig Zeit und keine weiteren Informationsquellen für seine Entscheidung. Nach zwei Minuten meldet er einen Fehlalarm an seine Vorgesetzten.

Jetzt bleiben noch 20 Minuten bis zu einem mutmaßlichen Raketeneinschlag in Moskau. Für einen Gegenschlag ist es inzwischen zu spät.

Vier vermeintliche Startmeldungen gehen ein. Später werden sie sich als seltene Konstellation im Zusammenhang mit der gerade über den Raketenbasen liegenden Tag- und Nachtgrenze herausstellen - Lichtblitze, die die Satelliten fehlinterpretiert hatten.

Bei Irrtum - totale Vernichtung

Der Druck auf Petrow ist enorm, die Informationen sind dünn. Petrow ist überzeugt, dass ein Computerfehler die Ursache ist. Er bleibt bei seiner Entscheidung, die Information, die zu einem Gegenschlag führen würde, nicht weiterzuleiten.

Er weiß: Wenn er sich irrt, würden umgehend Dutzende nuklearer Sprengköpfe über seiner Heimat niedergehen. Doch Petrow ist sich sicher: Ein echter Angriff wäre mit weit mehr Waffen erfolgt.

Erst nach 17 Minuten haben die Bodenradare endgültig Entwarnung gegeben. "Meine Laune verbesserte sich schlagartig", kommentiert Petrow den Moment lakonisch. Erst zehn Jahre nach jener Nacht 1983 wird sein besonnenes Handeln bekannt. Er habe seiner Tat nie eine besondere Bedeutung beigemessen.

"Mein Wissen und meine Intuition haben es mir ermöglicht, die richtige Entscheidung zu treffen", erklärt der heute 73-Jährige.

Am Sonntag hat Petrow den Dresdner Friedenspreis erhalten. Die Laudatio hielt der TV-Journalist Claus Kleber. Zunächst wurden Bilder aus seinem Film "Die Bombe" gezeigt. Der Moderator des ZDF-"heute journals" war 2009 auf jenem amerikanischen Stützpunkt, von dem der vermeintliche Angriff ausging.

Kleber erinnerte an den Kalten Krieg und nannte die Logik der Abschreckung Wahnsinn. "Man musste dafür sorgen, dass der andere weiß: Wer zuerst auf den Knopf drückt, stirbt als Zweiter, aber er stirbt genauso todsicher."

"Bei Stanislaw Petrow war die Welt in besseren Händen"

Petrow habe mit Hirn, Herz, Mut und einem gehörigem Schuss russischer Volksweisheit gehandelt. Sonst hätte Generalsekretär Juri Andropow entscheiden müssen. "Bei Stanislaw Petrow war die Welt in besseren Händen", sagte Kleber.

Petrow, der als Ingenieur im Dienst der Sowjetarmee war, verwies darauf, dass er an der Entwicklung des Abwehrsystems mitgearbeitet hatte und es in- und auswendig kannte. Petrow erhielt später dafür den "World Citizens Award" und wurde gefeiert als "Held, der die Welt rettete". Er selbst betonte, er habe nur seine Arbeit getan.

Gesundes Misstrauen

"Wahrscheinlich hätte ein Militär an meiner Stelle anders entschieden." Petrow aber verstand sich in erster Linie als Techniker und Systemanalytiker, auch wenn er in einer streng geheimen Kommandozentrale der Sowjetarmee Dienst tat. Ein Dienst, der darin bestand, auf Bildschirme zu starren und zu hoffen, dass nichts Außergewöhnliches passiert.

Der Oberstleutnant musste die Rüge einer Untersuchungskommission hinnehmen, er habe die Protokolle jener für die Erde ungeahnt kritischen Stunde nicht gründlich genug geführt. In welch aufgeheizter Atmosphäre er seine Entscheidung traf, ist im Bewusstsein der Menschheit nach 30 Jahren schon fast vergessen.

Im März 1983 hatte US-Präsident Ronald Reagan seine "Star-Wars-Rede" gehalten und mit dem Abwehrsystem SDI sozusagen den Krieg der Sterne angekündigt. Weltweit wuchs die Angst vor einem Atomkrieg.

Aufgeheizte Atmosphäre

Die nervösen Sowjets schossen irrtümlich ein südkoreanisches Passagierflugzeug ab. In Deutschland gab es Massenproteste gegen die Stationierung der Pershing-Raketen, in der DDR wuchs die Friedensbewegung. In den USA sahen mehr als 100 Millionen Zuschauer den Film "The day after", in dem es um das Überleben nach einem verheerenden Atomschlag ging.

Umso beachtlicher ist das damalige Verhalten Petrows einzustufen. Er habe seine Verantwortung nicht an andere abgegeben und als Mensch entschieden, würdigte Nobelpreisträger Blobel den diesjährigen Dresden-Preisträger.

Preis für Konflikt- und Gewaltprävention

Der "Dresden-Preis" würdigt das Engagement für Konflikt- und Gewaltprävention und erinnert an das Schicksal der im Zweiten Weltkrieg zerstörten sächsischen Stadt Dresden. Preisstifter sind die Organisation Friends of Dresden und die Klaus Tschira Stiftung aus Heidelberg.

Erster Preisträger war im Jahr 2010 der Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow, dem der Preis für sein Engagement für die atomare Abrüstung in den 1980er Jahren verliehen wurde. Im Jahr 2011 wurde der Pianist und Dirigent Daniel Barenboim für seinen Einsatz für einen Dialog im Nahen Osten geehrt. 2012 erhielt der Kriegsfotograf James Nachtwey den Preis.

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