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Die Geheimnisse des Vatikans


Die verbotene Stadt

t-online, Von Lukas Martin

Aktualisiert am 26.12.2011Lesedauer: 5 Min.
Kein Zutritt für Normalsterbliche: Die Schweizer Gardisten sind die Wächter über das Reich der Geistlichen.Vergrößern des BildesKein Zutritt für Normalsterbliche: Die Schweizer Gardisten sind die Wächter über das Reich der Geistlichen.
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Es ist das Zentrum der katholischen Welt mit ihren über 1200 Millionen Gläubigen, von hier aus hat die Kirche den Lauf der Welt mitbestimmt – doch immer noch hat nur ein erlesener Kreis Zutritt zu den geheimen Hallen des Vatikans. Dabei sind gerade die vor der Öffentlichkeit verborgenen Orte eine unvergleichliche Schatzkammer der Geschichte – und ein anachronistisches Konstrukt mit verrückten Schrullen.

Freien Zugang zum "Archivum Secretum" beispielsweise, dem Privatarchiv des Papstes, hat nur eine Handvoll Menschen. Im Gegensatz zur Vatikanischen Bibliothek ist sie auch ein Giftschrank aus über tausend Jahren Kirchengeschichte. Die Regale sind über 80 Kilometer lang und enthalten Akten, die Wendepunkte der Weltgeschichte dokumentieren: Eine Kopie der Bulle von Papst Leo X. aus dem Jahr 1521 zum Beispiel, mit der er Martin Luther exkommunizierte und damit die Reformation auslöste. Ein Ersuchen des englischen Königs Heinrich VIII. nach Scheidung: kurz darauf spaltete er die anglikanische Kirche ab. Oder die Korrespondenz zum Verfahren gegen Galileo Galilei, den die Inquisition im Jahr 1633 verfolgte, weil er behauptete, die Erde sei nicht das Zentrum des Universums - alles Papiere, die Weltgeschichte machten.

"Das Faszinierendste für mich sind die Farbrechnungen von Michelangelo im Original. Er beschreibt genau, welche Farben er für die Sixtinische Kapelle braucht und was sie damals gekostet haben", sagt Matthias Kopp. Der heutige Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz hat fünf Jahre lang im Vatikan gelebt und gearbeitet. Er hatte Zugang zu den Orten, von denen sich der Normalbürger nur erzählen lassen kann. Nicht alle Teile des "Archivum Secretum" sind so geheim, wie Romanautor Dan Brown es weismachen will. In vielen Fällen bekommen neben den 30 Archivaren auch Wissenschaftler mit entsprechendem Forschungsvorhaben Zutritt zu Bänden, die sie beantragen müssen – aber auf keinen Fall zu Dokumenten, die nach 1939 datiert sind. Das Thema Verstrickung mit dem Faschismus ist immer noch ein heikles Thema.

Marquis de Sade im Vatikan

Die prominenten Besucher der Vatikanstadt sind Legion – einer der ungewöhnlichsten ist sicherlich der Pornograph, Weiberheld und Kirchenfeind Marquis de Sade. 1775 bekam der eine Privat-Tour von seinem Freund Kardinal de Bernis, der selbst einen zweifelhaften Ruf besaß – er soll sich unter anderem venezianische Nonnen mit Casanova geteilt haben. De Sade war sogar Zeuge der Krönung von Papst Pius VI. Aber auch manche Päpste trieben es toll: Zu Beginn des 16. Jahrhunderts hat es unter Papst Alexander VI. Orgien mit ihm, einigen Kardinälen und Dutzenden von Prostituierten gegeben.

Der Vatikan ist zwar nicht Mitglied der FIFA, spielt aber seit 1973 eine eigene Meisterschaft aus – weil auf dem Staatsgebiet kein Platz für ein Sportfeld ist, im römischen Bezirk Primavalle. Die Mannschaften bestehen aus vier Feldspielern und einem Torhüter. Amtierender Meister ist die Polizei des Vatikans, die Gendarmeria. Besonders beliebt ist der vom Kirchestaat organisierte "Clericus Cup", bei denen Mannschaften des Vatikans gegen die einzelnen Priesterseminare Roms antreten.

Wer sind die Bürgerinnen des Vatikans?

Auch bei der Staatsbürgerschaft hält es der Kirchenstaat anders als andere Nationen: Sie ist weder an den Ort der Geburt noch an die Abstammung gebunden - sie hängt am Amt und erlischt mit ihm auch wieder. Von den 572 Vatikanbürgern sind 58 Kardinäle, 293 Priester, die den Vatikan als Diplomaten in der Welt vertreten, 62 weitere Kleriker, 101 Mitglieder der Schweizer Garde und 43 andere Laien, meist Polizisten. Die Bürgerschaft wird auch auf Frauen, Mütter und Familienmitglieder ausgedehnt: "Die 32 Frauen sind die Ehefrauen von Gardisten der kleinsten und ältesten Armee der Welt. Sie sind bis zu 15 Jahre im Vatikan stationiert. Deshalb leben im Vatikan auch stets einige Kinder", sagt Matthias Kopp.

Im Vatikan wurde auch das fünfte Gebot gebrochen – ganz offiziell. Bis zum Jahr 1969 gab es im Vatikan die Todesstrafe. Das letzte Mal wurde sie allerdings bereits 1870 vollstreckt – mit der Guillotine. Angeordnet hat die Enthauptung Papst Pius IX. Er wurde im Jahr 2000 selig gesprochen. Die Todesstrafen standen in einer langen Tradition: "Der Petersdom steht auf dem Gelände eines antiken römischen Zirkus‘, in dem es auch Christenverfolgungen gab", berichtet Kopp.

300 Meter Gleis für einen Bahnhof

Fünf Züge in 80 Jahren: Der Vatikan hat einen eigenen Bahnhof und besitzt die kürzeste Staatsbahnanlage der Welt; die Gleise sind nur 300 Meter lang. Das reicht allerdings, um sie an die italienische Bahn anzuschließen. Die meisten Züge sind Gütertransporte, Personenzüge verkehren äußerst selten. "Zuletzt ist Papst Benedikt XVI. von hier mit den Vertretern der Weltreligionen nach Assisi gefahren", erzählt Kopp. Im Jahr 2002 musste eine Diesellok einen modernen Schnellzug in den Vatikan ziehen.

Als letzter Staat der Welt hat der Vatikan Latein als offizielle Amtssprache – neben Italienisch, Französisch und Englisch. Dabei erfüllt die antike Sprache selbst Aufgaben, die sich die alten Römer nie erträumt hätten. Der vatikanische Geldautomat lässt sich auf Latein bedienen und der Hubschrauber-Landeplatz des Papstes trägt ein Schild mit dem Namen "Helicoptorum Portum". Auch wenn Benedikt XVI. täglich Latein spricht – in der Praxis hat sich Italienisch längst durchgesetzt.

Der Supermarkt des Papstes

Im Vatikan gibt es einen Supermarkt, der neben Lebensmitteln auch Tiefkühltruhen, Bügeleisen und Epiliergeräte verkauft: "Hier kann man alles bekommen, was man in einem deutschen Supermarkt auch bekommt", erzählt Kopp. "Weil die Lebenshaltungskosten in Rom ziemlich hoch sind, ist die ‚Tessara', der Zugangsschein zum vatikanischen Supermarkt, sehr beliebt." Alles ist gut 20 Prozent günstiger, da man im Vatikan keine Steuern zahlt – so wird der Markt zu einem Duty Free Shop. Einkaufen dürfen nur Bürger des Vatikans und die Angestellten.

Das gilt auch für die zwei Tankstellen auf dem Gebiet des Vatikans, der Sprit ist ebenfalls steuerfrei. Im vatikanischen Fuhrpark – der sich im Keller der vatikanischen Museen befindet - stehen die päpstlichen Untersätze seit dem prachtvollen Sattel von Papst Clemens XIV. (1769 – 1774). Darunter ist auch das erste motorisierte Vehikel, ein Mercedes aus dem Jahr 1930. Die Stuttgarter bauten seitdem viele der Autos, die der Papst benutzt.

Den Papst beim Joggen getroffen

Die Stadtmauer um die Vatikanstadt deckt sich nicht genau mit dem Staatsgebiet des Vatikanstaates. Ein großer Teil der päpstlichen Audienzhalle zum Beispiel liegt auf italienischem Staatsgebiet. Die Staatsgrenze verläuft mitten durch die Halle - der Papstthron steht auf vatikanischem Boden, die Besucher schauen aus dem Ausland zu.

Und trifft man als Vatikanbewohner öfter mal den Papst? "Man kann sich natürlich zu den Audienzen auf den Petersplatz stellen, wo jeder Mensch hinkommen kann und man ihn am Fenster sieht", erzählt Kopp. "Ganz selten habe ich ihn in den vatikanischen Gärten gesehen, während ich Joggen war – allerdings nie im Supermarkt."

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