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Costa Concordia: Fünf weitere Leichen auf Kreuzfahrtschiff entdeckt


Panorama
Fünf weitere Leichen in der "Costa Concordia" entdeckt

Von dpa, afp, dapd
Aktualisiert am 17.01.2012Lesedauer: 5 Min.
Taucher fanden weitere Leichen in dem havarierten Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia"Vergrößern des BildesTaucher fanden weitere Leichen in dem havarierten Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" (Quelle: dpa)
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Taucher haben fünf weitere Leichen in dem havarierten Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" gefunden. Die Toten seien am Dienstag im überfluteten Heckteil des gekenterten Schiffes entdeckt worden, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa. Damit erhöht sich die Zahl der gefundenen Toten auf elf.

Bei den geborgenen fünf Toten handelt es sich um eine Frau und vier Männer im Alter von 50 bis 60 Jahren. Nach Angaben der Küstenwache trugen sie Schwimmwesten.

Mehr über die Identität der Toten ist bislang nicht bekannt. Vor dem Leichenfund waren noch 29 Menschen vermisst worden. Nach Angaben der italienischen Behörden handelte es sich um 14 Deutsche, sechs Italiener, vier Franzosen, zwei US-Bürger sowie jeweils eine Person aus Ungarn, Indien und Peru.

Womöglich erstes deutsches Todesopfer

Das Auswärtige Amt hatte angegeben, dass 12 von 29 Vermissten Deutsche seien. Fünf stammen demnach aus Hessen, je zwei aus Berlin, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen und eine Frau aus Bayern.

Womöglich gibt es auch ein erstes deutsches Todesopfer. Einen entsprechenden Bericht des Rundfunksenders Rai bestätigten die deutschen und italienischen Behörden jedoch zunächst nicht.

Der Kapitän Francesco Schettino hat unterdessen eingeräumt, zum Zeitpunkt der Kollision des Kreuzfahrtschiffes das Kommando gehabt zu haben. Schettino äußerte sich in Grosseto bei einem dreistündigen Haftprüfungstermin, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete.

Die Staatsanwaltschaft forderte dabei eine Verlängerung der Untersuchungshaft für den Kapitän, an den Anschuldigungen gegen ihn habe sich nichts geändert. Richterin Valeria Montesarchio behielt sich eine Entscheidung noch vor. Schettino wird mehrfache fahrlässige Tötung, Havarie und das Verlassen des Schiffes während der Evakuierung vorgeworfen. Schettino drohen bis zu 15 Jahre Gefängnis, sollte er in einem Prozess verurteilt werden.

Kapitän verließ das sinkende Schiff

Während die Zahl der Toten und Vermissten steigt, erscheint das Verhalten des Kapitäns während der Katastrophe in immer schlechteren Licht. Mitschnitte von Telefonaten mit der italienischen Hafenbehörde belasten Francesco Schettino schwer und erhärten den von Zeugen geäußerten Verdacht, der Kapitän habe das Unglücksschiff sehr früh sich selbst überlassen. Unter den Todesopfern der Katastrophe befindet sich auch ein Deutscher.

Schettino hatte sein Schiff mit mehr als 4200 Menschen an Bord dicht an die kleine toskanische Insel Giglio gelenkt. Das 112.000 Tonnen schwere Schiff war um kurz vor 22 Uhr gegen einen Felsen gelaufen, leckgeschlagen und dann auf die Seite gekippt.

Schettino drohen 15 Jahre Haft

Der Kapitän soll den Kreuzfahrtriesen verlassen haben, als die Evakuierungen in vollem Gange waren - vor den meisten Passagieren. Unterschiedlichen Augenzeugen zufolge habe er bereits gegen halb zwölf das Schiff verlassen beziehungsweise wurde gegen 0.30 Uhr auf einem Felsen auf der rechten Seite des Schiffes gesehen. Die jetzt veröffentlichten Telefonate mit der Hafenbehörde wurden aber erst um viertel vor zwei geführt, die Evakuierung der "Costa Concordia" war laut italienischer Polizei erst um 4.46 Uhr beendet.

Gestützt auf die Aussagen zahlreicher Augenzeugen hatte die italienische Staatsanwaltschaft Schettino bald nach der Havarie am Freitag festnehmen lassen. Hunderte von Zeugenaussagen - Passagiere, Crewmitglieder und Retter - seien zum Hergang bereits aufgenommen worden, erklärte Staatsanwalt Francesco Verusio. Mehr Details zum Hergang des Unglücks erhofft er sich von der Auswertung der Blackbox des Schiffs, die ähnlich wie in Flugzeugen die Kommunikation auf der Brücke und Steuerbefehle aufzeichnet.

"Überschwänglich und draufgängerisch"

Schettino wollte laut italienischen Medienberichten womöglich dicht vor der Küste ein prahlerisches Ritual zelebrieren - den Gruß an die Insel mit voller Beleuchtung und dröhnenden Sirenen. Dies würde zum Charakter des Kapitäns passen, wie er von Kollegen beschrieben wird. Mario Palombo, ein pensionierter Kapitän und mehrjähriger Vorgesetzter Schettinos auf einem anderen Kreuzfahrtschiff, beschreibt ihn als "zu überschwänglich und draufgängerisch". Martino Pellegrino, ein Offizier der "Costa Concordia", schilderte ihn aber auch als unzugänglich, als jemanden, "mit dem man einfach nicht reden konnte".

"Kapitän, was machen Sie?"

Die italienische Nachrichtenagentur Ansa hat jetzt Mitschnitte von Telefonaten veröffentlicht, die auf dieser Blackbox gespeichert waren. Sie stützen den Vorwurf der Augenzeugen und den Verdacht der Ermittler. Darin weist ein entsetzt klingender Offizier der Hafenmeisterei auf Giglio Kapitän Schettino unter anderem an, sich zurück auf das Schiff zu begeben.

Demnach erreichte der Offizier Schettino erst um 1.46 Uhr auf dessen Handy, als noch hunderte Menschen an Bord des sich langsam, aber stark zur Seite neigenden Schiffes waren. Darin forderte der Mitarbeiter des Hafens: "Jetzt begeben Sie sich zum Bug, Sie klettern die Rettungsleiter hoch und leiten die Evakuierung!" Der Offizier wurde im Verlauf des Telefonats immer ungehaltener. "Sie müssen uns sagen, wie viele Leute da noch sind, Kinder, Frauen, Passagiere, die genauen Zahlen in jeder Kategorie!", forderte er Schettino auf.

"Was machen Sie? Geben Sie die Rettung auf?", fragte dann der Offizier. "Nein, nein, ich bin da, ich koordiniere die Rettung", antwortete Schettino, der von den Zeugen allerdings schon vor Mitternacht am Ufer gesehen wurde. Der Offizier sagte, es gebe "bereits Leichen". "Wie viele?", fragte Schettino zurück. Der Offizier darauf: "Das müssen doch Sie mir sagen! Was machen Sie? - Jetzt kehren Sie nach da oben zurück und sagen Sie uns, was wir machen können!"

"Es herrschte nur Chaos"

Schon um 1.42 Uhr hatte der Kapitän in einem anderen Telefonat mit der Hafenmeisterei gesagt: "Wir können nicht mehr an Bord des Schiffes gehen, weil es zur Heckseite kippt." Der Offizier fragte völlig überrascht: "Kommandant, haben Sie das Schiff verlassen?" Der Kapitän darauf: "Nein, nein, natürlich nicht!" Schettino hat bisher den Vorwurf, das Schiff früh verlassen zu haben, zurückgewiesen - im Gegenteil: "Wir haben als letzte das Schiff verlassen", hatte er Reportern gesagt.

"Bringen Sie mich weg von hier"

Einem unbestätigten Bericht der italienischen Zeitung "Il Fatto Quotidiano" soll der Kapitän später, als er sich bereits an Land geflüchtet hatte, ein Taxi gerufen haben. "Bringen Sie mich weg von hier", soll er dem Taxifahrer gesagt haben. Der Kapitän habe einen weißen Gala-Dinner-Anzug getragen, heißt es in dem Bericht. Der Fahrer habe den Kapitän mit zu sich nach Hause genommen. Schettino sei benommen, aber nicht in Panik gewesen, erzählte der Taxifahrer weiter. Der Kapitän habe daraufhin mehrere Anrufe der Küstenwache von Livorno erhalten, die ihn aufgefordert habe, an Bord zurückzukehren, der Kommandant aber habe sich geweigert.

Inzwischen gehen auch Vertreter des italienischen Kreuzfahrt-Unternehmens Costa Crociere immer mehr auf Distanz zu dem Kapitän, nachdem sie ihn kurz nach dem Unglück noch in Schutz genommen hatten. Er habe seine Route eigenmächtig geändert, erklärte der deutsche Geschäftsführer von Costa Crociere in Hamburg, Heiko Jensen. Falsche Seekarten seien nicht Schuld an dem Unglück gewesen. Jensen erklärte: "Der Kapitän war zum Zeitpunkt des Unfalls auf der Brücke und hat das Schiff manuell gesteuert."

Nach dem Kentern der "Costa Concordia" vor der italienischen Küste warnen Experten nun auch vor einer Umweltkatastrophe. "Sollte das Schiff abrutschen und die Tanks beschädigt werden, dann haben wir ein großes Problem", sagte der Greenpeace-Experte Kai Britt. Jochen Lamp, Leiter des WWF-Ostseebüros, ist besonders besorgt, da das Schiff mitten im wichtigsten Walschutzgebiet des Mittelmeers liege.




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