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Christian Wulff angezeigt: Staatsanwaltschaft prüft Anfangsverdacht der Nötigung


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Wulff angezeigt: Staatsanwaltschaft prüft Anfangsverdacht der Nötigung

Von t-online, dapd, dpa, afp
Aktualisiert am 03.01.2012Lesedauer: 4 Min.
Hat der Bundespräsident Journalisten genötigt?Vergrößern des BildesHat der Bundespräsident Journalisten genötigt? (Quelle: dapd)
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Immer neue Vorwürfe gegen Christian Wulff: Neben seinem Drohanruf bei der "Bild"-Zeitung soll der Bundespräsident schon in einem früheren Fall versucht haben, einen Artikel der "Welt am Sonntag" zu verhindern. Wegen Wulffs Nachricht auf der Mailbox von "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann prüft die Staatsanwaltschaft Berlin derweil eine Anzeige wegen des Verdachts der Nötigung.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, bestätigte entsprechende Informationen der "Berliner Zeitung" und der "Frankfurter Rundschau". Es werde geprüft, ob ein Anfangsverdacht der Nötigung vorliege. Am Montag war bekanntgeworden, dass Wulff Mitte Dezember versucht hatte, die Berichterstattung der "Bild" über seinen Privatkredit zu verhindern.

In Paragraf 240 des Strafgesetzbuches heißt es, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohungen mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Auch der Versuch der Nötigung ist demnach strafbar. Im Gesetz wird zudem aufgeführt, dass ein besonders schwerer Fall von Nötigung vorliegt, wenn der Täter seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht. Strafanzeigen sind jederzeit möglich, jeder Bürger kann sie stellen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt jedoch immer erst dann konkret, wenn es Anzeichen für eine Straftat gibt.

Bei der Staatsanwaltschaft Hannover liegen zudem mehr als 20 Anzeigen im Zusammenhang Wulffs umstrittenem Privatkredit vor. Einen Anfangsverdacht für eine Straftat gibt es nach bisheriger Prüfung allerdings nicht.

"Welt"-Reporter zum Gespräch gebeten

Bei dem nun bekanntgewordenen zweiten Versuch einen unliebsamen Artikel zu verhindern, ging es um einen mehrseitigen Bericht in der "Welt am Sonntag" über Wulffs Familie und das zerrüttete Verhältnis zu einer seiner Schwestern. Wie der Chefredakteur der "Welt"-Gruppe bei "Spiegel Online" erklärte, wurde ein Reporter nach mehreren Anrufen aus dem Bundespräsidialamt zu einem Gespräch ins Schloss Bellevue gebeten.

Dort habe Wulff dem Reporter in einem langen Vier-Augen-Gespräch damit gedroht, dass er im Falle einer Veröffentlichung sofort eine Pressekonferenz einberufen und dort erklären würde, dass die "Welt am Sonntag" eine Grenze überschritten habe.

Außerdem habe Wulff angekündigt, jede Zusammenarbeit mit der Zeitung zu beenden, sagte Peters. "Unser Reporter, ein erfahrener Journalist, war sehr überrascht von dem Vorgang und sagte mir, er habe diesen Teil des Gesprächs als eisig und sehr heftig empfunden." Nach dem Gespräch habe Wulff versucht, an höchsten Verlagsstellen - unter anderem beim Vorstandsvorsitzenden - zu intervenieren. "Ich habe trotzdem entschieden, die Geschichte zu veröffentlichen", so der Chefredakteur.

Laut "Spiegel Online" ging es in dem Stück um eine Halbschwester Wulffs, Bettina Mertschat-Wulff, mit der die Autoren sich getroffen hatten. "Sie ist die Schwester, die es eigentlich nicht gibt. Ihr Leben ist eine unerwähnte Episode im Leben des Bundespräsidenten", heißt es in dem Bericht.

Sie sei das einzige Familienmitglied Wulffs, das im Leben des Bundespräsidenten nicht vorkomme, sagt die Frau in dem Artikel. Vor 13 Jahren hätten sich die beiden zuletzt gesehen. Sie wünsche sich nichts mehr, als dass Wulff sie ins Schloss Bellevue einladen würde.

Bericht: Wulff soll Eventmanager Sponsoren verschafft haben

Der "Stern" berichtete unterdessen über eine Beteiligung Wulffs während seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident an der Sponsorensuche für eine private Veranstaltung. Demnach machten Wulff und die Staatskanzlei den Hannoveraner Versicherungskonzern Talanx und den Touristikkonzern TUI auf eine Veranstaltung des Eventmanagers Manfred Schmidt aufmerksam. Beide Firmen unterstützten daraufhin dessen "Nord-Süd-Dialog" mit mehreren tausend Euro.

Gegen Olaf Glaeseker, den vor knapp zwei Wochen überraschend entlassenen Wulff-Sprecher, prüft die Staatsanwaltschaft Hannover derweil einen Anfangsverdacht auf Vorteilsnahme. Er soll ab 2008 zusammen mit seiner Frau dreimal in Auslandsquartieren des Eventmanagers Schmidt gratis Urlaub gemacht haben. Als Regierungssprecher im Rang eines Staatssekretärs hätte er teure Geschenke wie Gratisurlaub aber möglicherweise nicht annehmen dürfen.

Auch über Wulffs Verbindung mit dem Unternehmer Egon Geerkens will der "Stern" Neues erfahren haben. Geerkens sei Wulff bereits bei einem Immobiliengeschäft vor elf Jahren behilflich gewesen, als der einen Käufer für das Haus seines Vaters bei Osnabrück gesucht habe. Die Immobilie sei an Wiho Pieper gegangen, einen Geschäftspartner Geerkens und CDU-Mitglied. Wulffs Anwälte bezeichneten die Rolle Geerkens bei diesem Geschäft dem Magazin zufolge als rein freundschaftlich.

Union: "Lapidare Erklärung reicht nicht"

In der Union wird die Situation für Wulff inzwischen durchaus kritisch eingeschätzt. Spekulationen über bereits laufende Gedankenspiele zu einer Nachfolgereglung bei einem Rücktritt Wulffs wurden aber nicht bestätigt. In Fraktionskreisen hieß es, mit einer "lapidaren Erklärung ist es nicht getan". Wulff müsse sich offiziell zu den Vorgängen um die "Bild"-Zeitung äußern und sich auch Fragen stellen - am besten in einem Format, bei dem auch die breite Bevölkerung zuhöre.

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt legte Wulff im Deutschlandfunk indirekt eine Erklärung zur versuchten Beeinflussung der "Bild"-Zeitung nahe. Sie sei sicher, dass der Bundespräsident die gegen ihn erhobenen Vorwürfe überzeugend aufklären könne. "Und das kann auch nur er selbst", sagte Hasselfeldt.

Grundsätzlich geht man in Kreisen der Unionsfraktion davon aus, dass der Bundespräsident die Affäre erstmal durchstehen will. Ein schneller Rücktritt des Staatsoberhaupts käme sehr überraschend - trotz der jüngsten Vorwürfe, wurde betont.

Politisches Stehvermögen

Verschiedene Stimmen wiesen auf ein beachtliches politisches Stehvermögen des Niedersachsen in der Vergangenheit hin. So sei Wulff immerhin dreimal als Spitzenkandidat in Niedersachsen angetreten und dann zum Ministerpräsidenten gewählt worden, hieß es in den Kreisen, die nicht namentlich zitiert werden wollten. Auch in der Partei habe er sich über einen langen Zeitraum hinweg hochgearbeitet.

Das Bundespräsidialamt veröffentlichte unterdessen die offiziellen Termine des Staatsoberhaupts für die nächsten Tage. Am Freitag empfängt Wulff im Schloss Bellevue Sternsinger aus dem Bistum Essen. Am kommenden Dienstag ist der traditionelle Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps vorgesehen. Zwei Tage später findet der Empfang für Repräsentanten des öffentlichen Lebens statt. Am Montag war die Seite auf der Homepage des Bundespräsidenten noch leer gewesen.

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